Für die deutsche Nationalmannschaft verlief die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar genauso wenig erfolgreich wie vier Jahre zuvor in Russland. Echte Glanzlichter konnte unser Team in den drei Gruppenspielen auch nicht setzen. Dabei ist die Historie der Weltmeisterschaften voll mit aufregenden und mitreißenden Spielen. Ob dramatische Gruppenphase oder atemberaubendes Finale, wir haben zehn absolute Highlights aus der Geschichte der Fußball-WM zusammengestellt.
Warum das WM-Finale selten das großartigste Spiel ist
Die Fußball-Weltmeisterschaft ist das Sportereignis, das weltweit die meisten Fans in seinen Bann zieht. Vor vier Jahren wurde beim Eröffnungsspiel der WM in Russland vermeldet, dass 3,5 Milliarden Zuschauer das Event weltweit vor dem Bildschirm verfolgten. Auch die WM 2022 in Katar bricht nach Angaben der FIFA viele Zuschauerrekorde. Diese Zahlen erreichen selbst der Super Bowl oder die Olympischen Spiele nicht.
Alle Zuschauer wünschen sich großartige Spiele, die im Kopf bleiben und Geschichte schreiben. Doch auch wenn alle Teams auf die Teilnahme im Finale hoffen, ist das letzte Spiel einer WM selten das großartigste des Turniers. Oft ist dieses stark von Taktik geprägt, zu viel steht für beide Mannschaften auf dem Spiel.
Auch wenn es sehr gute Finalspiele in der Historie der Fußball-WM gab, sind häufiger Spiele aus der Gruppenphase oder den K.O.-Runden in die Geschichtsbücher eingegangen. Einige Finalspiele haben wir dennoch in unsere Top-10 integriert, die trotz allem durch ein gehobenes Spiel-Niveau oder echte Spannung lebten.
Unsere 10 Highlights der WM-Spiele im Überblick
Inhaltsverzeichnis - das findest du hier
1. 1954: Deutschland – Ungarn
Aus deutscher Sicht ist der erste Titelgewinn im Jahr 1954 bei der WM in der Schweiz natürlich etwas ganz Besonderes. Doch auch aus internationalem Blickwinkel war das Finale in Bern ein Highlight, das noch Jahrzehnte später im Gedächtnis ist. Schließlich handelte es sich um eines der größten Fußball-Comebacks in der Geschichte der Fußball-Weltmeisterschaften.
Das ungarische Team galt damals als großer Turnier-Favorit, die deutsche Mannschaft als krasser Außenseiter. Star des Turniers war der Ungar Ferenc Puskás, der verletzt ins Finale startete und dennoch das erste Tor nach nur wenigen Minuten schoss. Als es nach acht Minuten 2:0 für die Ungarn stand, schien alles nach Plan zu laufen. Doch die deutsche Mannschaft schlug unerwartet zurück und erreichte ein Ergebnis, das bis heute als “Wunder von Bern” gilt.
Jungen Fußballfans ist oft nicht bewusst, mit wie viel Glück das deutsche Team das Spiel gewann. Beim Stand von 2:2 wurde von den Ungarn Pfosten und Latte getroffen, der deutsche Torhüter Toni Turek hielt mehrfach hervorragend. Das Siegtor fiel erst wenige Minuten vor Schluss und wurde von den Deutschen über die Zeit gebracht. So kam alles zusammen: Eine faustdicke Überraschung, ein atemberaubendes Comeback und Nervenkitzel bis zur letzten Sekunde.
Torschützen:
0:1 Puskás (6.)
0:2 Czibor (8.)
1:2 Morlock (10.)
2:2 H. Rahn (18.)
3:2 H. Rahn (84.)
2. 1986: Argentinien – England
Im Jahr 1986 sollte die deutsche Mannschaft als Verlierer des Finales vom Platz gehen. Im Azteken-Stadion von Mexiko-Stadt unterlagen Magath, Rummenigge & Co. den Argentiniern mit 3:2. In diesem Finale blieb Diego Maradona torlos, der dennoch zum größten Star des Turniers gewählt wurde. Und dies vor allem durch eine unvergessliche Szene aus dem Viertelfinale, als die Argentinier England mit 2:1 schlugen.
Nachdem Maradona sein Team zu Beginn der zweiten Halbzeit gegen die gleichwertigen Engländer mit 1:0 in Führung gebracht hatte, nutzte er vier Minuten später die Verunsicherung des Gegners aus. Und dies auf eine Art und Weise, die noch heute als “Tor des Jahrhunderts” bekannt ist. Aus der eigenen Hälfte gestartet, lief Maradona ungefähr 60 Meter mit dem Ball, umspielte hierbei fünf Feldspieler und Torwart Peter Shilton und schob zum 2:0 ein. Ein unvergessliches Solo, das noch Jahrzehnte später Fans in Verzückung versetzt.
Von diesem Jahrhundert-Tor wird das 1:0 in den Schatten gestellt, das genauso legendär ist: die Hand Gottes. Maradona führe hier – ob absichtlich oder unbeabsichtigt – den Ball gegen Shilton bei einem Zweikampf mit der Hand ins Tor. Bis heute wird gerne der Begriff der Hand Gottes zitiert, wenn es zu einem unerlaubten Handspiel kommt, das zum Torerfolg führt. Also: zwei legendäre Ereignisse in nur einem Spiel.
Torschützen:
1:0 Maradona (51.)
2:0 Maradona (55.)
2:1 Lineker (81.)
3. 2014: Brasilien – Deutschland
Der letzte Titelgewinn der deutschen Mannschaft gelang im Jahr 2014. Es gab ein denkwürdiges Finale mit einem umkämpften 1:0-Sieg über Argentinien und dem jungen Mario Götze als Torschütze. Deutlich größere Wellen schlug jedoch das Halbfinale der deutschen Nationalmannschaft beim Spiel gegen Brasilien als Heimmannschaft.
Auch wenn es nicht der höchste WM-Sieg der Geschichte wurde, gab es niemals einen höheren Sieg in einem WM-Halbfinale. Und dieser kam für alle beteiligten Seiten überraschend. Superstar Neymar fiel bei seiner ersten WM verletzungsbedingt für dieses Spiel aus. Die gesamte brasilianische Nation schwor sich dennoch einen Zusammenhalt, vor der Partie wurde ein Spiel auf Augenhöhe gesehen.
Als die deutsche Mannschaft nach einer halben Stunde mit 5:0 führte, war hiervon nichts mehr zu spüren. Zwischenzeitlich fielen die Tore regelrecht im Minutentakt und deckten völlig überraschend eine komplett unsortierte Defensive der Brasilianer auf. Ob live oder im Stadion – wer dabei war, erlebte einige der verrücktesten Fußball-Minuten des 21. Jahrhunderts.
Torschützen:
0:1 Müller (11.)
0:2 Klose (23.)
0:3 Kroos (24.)
0:4 Kroos (26.)
0:5 Khedira (29.)
0:6 Schürrle (69.)
0:7 Schürrle (79.)
1:7 Oscar (90.)
4. 1970: Italien – Deutschland
Nachdem wir bereits das “Tor des Jahrhunderts” von Diego Maradona angesprochen haben, darf das “Spiel des Jahrhunderts” natürlich nicht fehlen. Als dieses wird die Halbfinalpartie der Deutschen gegen Italien bei der WM 1970 in Mexiko bezeichnet. Die Italiener setzten sich nach Verlängerung mit 4:3 durch, wobei es nach regulärer Spielzeit noch 1:1 gestanden hatte.
Die Italiener gingen früh in Führung und es sah lange so aus, dass das Team mit seiner extrem defensiven Spielweise das Ergebnis über die Zeit brachte. Erst in der Nachspielzeit der zweiten Halbzeit konnte Karl-Heinz Schnellinger mit seinem einzigen Länderspieltor ausgleichen. Die Verlängerung war ein offener Schlagabtausch mit fünf Toren, dessen Ausgang zu keinem Zeitpunkt abschätzbar war.
An das Spiel erinnert bis heute eine Gedenktafel, die vor dem Aztekenstadion angebracht wurde. Nach diesem kraftraubenden Ereignis waren die Italiener im anschließenden Finale gegen die brasilianische Mannschaft rundum Pelé mit 4:1 chancenlos.
Torschützen:
1:0 Boninsegna (8.)
1:1 Schnellinger (90.)
1:2 Müller (95.)
2:2 Burgnich (99.)
3:2 Riva (104.)
3:3 Müller (110.)
4:3 Rivera (111.)
5. 1958: Deutschland – Schweden
Junge Fußballfans kennen lediglich den Begriff “Schlacht von Göteborg”, ohne ein Fußballspiel vor Augen zu haben. Bei älteren Fans kommen jedoch viele Erinnerungen hoch, und diese sind nicht immer positiv. Konkret geht es um das Halbfinale der WM 1958 in Schweden, bei dem das einheimische Team gegen den amtierenden Weltmeister Deutschland antrat.
Das Spiel selbst ist durch seinen historischen Blickwinkel so besonders. Zum einen war es damals noch ungewöhnlich, für einen Club in anderen Nationen zu spielen. Dies galt für eine Reihe schwedischer Spieler, die in der italienischen Serie A aktiv waren. Das führte bei manchen Nationen und neutralen Beobachtern für Unmut. Umgekehrt konnten sich deutsche Fans durch das Wirtschaftswunder erstmals die Reise zu einer WM im Ausland leisten. Hier sollen sie den schwedischen Fans mit ihrer “deutschen Fankultur” negativ aufgefallen sein.
Nicht zu vergessen sind die Nachwirkungen des Zweiten Weltkrieges, so dass deutsche Fans nicht überall gerne gesehen waren. Die Stimmung schaukelte sich noch vor dem Halbfinalspiel auf und wurde zu einem echtem Politikum. Die “Schlacht auf dem Spielfeld” wurde nach deutscher Führung von den Schweden entschieden, die hiernach aber nicht Weltmeister wurden. Auswirkungen auf die heutige Fanszene hat dieses Spiel zum Glück nicht mehr.
Torschützen:
0:1 Schäfer (23.)
1:1 Skoglund (33.)
2:1 Gren (81.)
3:1 Hamrin (88.)
6. 1966: Portugal – Nord-Korea
Bei der WM 1966 denkt man aus deutscher Sicht natürlich sofort an das Wembley-Tor, das die Final-Niederlage gegen die Engländer nicht verhindern konnte. Aus internationalem Blickwinkel ist diese vermeintliche Fehlentscheidung im Finale jedoch nur eine Facette des Turniers. Noch spannender ist die Geschichte der Nord-Koreaner, die hier eines der größten Wunder der WM-Geschichte schafften.
Dass sie überhaupt am Turnier teilnehmen durften, war alleine dem Rückzug aller afrikanischen Mannschaften zu verdanken. Nach der Qualifikation für das Turnier gegen Australien schafften es die Nordkoreaner, die Italiener und Chilenen in den Gruppenspielen hinter sich zu lassen. Damals wie heute war wenig über den Sport des Landes bekannt, so dass Disziplin und Zusammenhalt die Gegner aus Europa und Südamerika überraschen konnten.
Dies gilt zunächst auch für das Viertelfinale gegen Portugal, in dem die Nordkoreaner nach 25 Minuten mit 3:0 führten. Dass es nicht zu einer erneuten Überraschung kam, war Eusebio als letztem portugiesischen Weltstar vor Cristiano Ronaldo zu verdanken. Mit vier Toren drehte er die Partie, nach einem weiteren Treffer mussten die Nordkoreaner doch noch nach Hause fahren. Ein weiteres legendäres Comeback in der Historie der Fußball-WM.
Torschützen:
0:1 Pak Seung-zin (1.)
0:2 Li (22.)
0:3 Yang (24.)
1:3 Eusébio (27.)
2:3 Eusébio (43., Elfmeter)
3:3 Eusébio (56.)
4:3 Eusébio (59., Elfmeter)
5:3 José Augusto (79.)
7. 1970: Brasilien – Italien
Der Weg der Italiener ins Finale der WM 1970 ging, wie oben beschrieben, über das Jahrhundertspiel gegen die Deutschen. Doch das Finale war nicht minder spannend und gilt bis heute als eines der besten Finals überhaupt, das bei einer Fußball-WM stattfand. Beide Teams hatten zu diesem Zeitpunkt bereits zweimal den Weltmeistertitel gewonnen. Es war das erste Finale von Weltmeistern überhaupt und der Sieger durfte dauerhaft eine Kopie des Pokals in Empfang nehmen.
Gerade in der ersten Halbzeit fand ein Finale auf einem fußballerisch hohen Niveau statt. In der zweiten Hälfte war erkennbar, dass den Italienern das Halbfinale gegen die Deutschen noch in den Knochen steckte. Außerdem befand sich Pelé damals in der Blüte seiner Karriere und drückte dem Finalspiel seinen Stempel auf. Auch wenn er lediglich das erste Tor selbst schoss, legte er weitere Treffer vor und war der wohl entscheidende Spieler in diesem Finale.
Torschützen:
1:0 Pelé (18.)
1:1 Boninsegna (37.)
2:1 Gérson (66.)
3:1 Jairzinho (71.)
4:1 Carlos Alberto (87.)
8. 1986: Frankreich – Brasilien
Werden erfahrene Fußballfans nach den besten WM-Spielen aller Zeiten gefragt, kommt schnell das Viertelfinale zwischen Frankreich und Brasilien bei der WM 1986 in Mexiko in den Kopf. Das Spiel selbst endete nach der regulären Spielzeit und der Verlängerung 1:1, im Elfmeterschießen setzten sich die Franzosen mit 4:3 durch.
Das Spiel bot eine Vielzahl von Chancen und eine hohe Intensität über die gesamten 120 Minuten hinweg. Dies war vor allem der Tatsache zu verdanken, dass die wohl besten Spielmacher und Mittelfeldspieler der damaligen Zeit auf beiden Seiten zu finden waren. Beiden Franzosen zogen Michel Platini und Alain Giresse die Fäden, bei den Brasilianern prägten Socrates und Zico das Spiel.
Zahlreiche Ballstafetten, Doppelpässe und eine hohe Passpräzision sorgten für ein Spielerlebnis, das den neutralen Zuschauer schnell in seinen Bann zog. Diese Dramatik sollte sich im Elfmeterschießen fortführen, bei dem Weltstars wie Socrates oder Platini den Ball nicht im Tor unterbekamen. Ein dramatisches Ende eines absoluten Highlights der WM-Geschichte.
Torschützen:
1:0 Careca (17.)
1:1 Platini (41.)
9. 1982: Brasilien – Italien
Vier Jahre zuvor war Brasilien ebenfalls an einem legendären Spiel beteiligt, wobei Pelé seiner Mannschaft und dem gesamten Turnier seinen Stempel aufdrücken konnte. Bei diesem Turnier in Spanien wurde mit einer Zwischenrunde gespielt, in der mit Argentinien, Italien und Brasilien drei absolute Schwergewichte und Weltmeister aufeinandertrafen.
Im letzten Spiel dieser Zwischenrunde sollte sich entscheiden, ob Italien oder Brasilien weiterkommen sollte. Vor dem Turnier wurde Brasilien als großer Favorit gehandelt, mit einem technisch versierten und verspielten Mittelfeld ging die Elf ebenfalls favorisiert in das Duell gegen Italien. Seit diesem Turnier hat sich der Mythos entwickelt, dass das brasilianische Team bei Turnieren oft sehr schön spielt, jedoch nicht zum Erfolg kommt.
Symbolisiert wurde dies bei der Partie zwischen Brasilien und Italien durch Paolo Rossi. Dieser brachte sein Team gleich dreimal in Führung, nachdem die Brasilianer zweimal ausgleichen konnten. Die Brasilianer schafften es nicht, eine Fülle weiterer Chancen zu nutzen, so dass Italien bei diesem Turnier bis ins Finale vorstoßen konnte. Und das Image der brasilianischen Mannschaft über die kommenden Jahrzehnte prägen sollte.
Torschützen:
1:0 Rossi (5.)
1:1 Socrates (12.)
2:1 Rossi (25.)
2:2 Falcao (68.)
3:2 Rossi (74.)
10. 1950: Brasilien – Uruguay
Zum Abschluss noch ein legendäres Finale, das in der Historie der Fußball-Weltmeisterschaften auf keinen Fall fehlen darf. Die erste Fußball-WM nach dem Zweiten Weltkrieg sollte für alle beteiligten Nationen zu einem Zeichen der Verständigung werden. Wie viele Menschen der Fußball miteinander verbindet, stellt das Finale von Uruguay und Brasilien unter Beweis. Unstrittig das Finale mit den meisten Zuschauern, was auch in Zukunft nicht mehr erreicht werden dürfte.
Das Maracana in Rio de Janeiro zählte schon damals zu den größten Sportstadien der Welt. Offiziell fanden 173.850 Zuschauer in diesem riesigen Stadion Platz. Rückblickend wird geschätzt, dass bis zu 220.000 Menschen dicht gedrängt auf den Rängen standen und das Finale der beiden südamerikanischen Mannschaften verfolgten.
Fast kein Halten gab es, als die Heimmannschaft kurz nach der Halbzeit in Führung ging. Dies sollte mit zwei Treffern der Uruguayos im Laufe der zweiten Hälfte gedreht werden. Die Stimmung bei diesem legendären Spiel blieb dennoch nach Abpfiff vergleichsweise friedlich. Und lässt uns alle an ein Spiel zurückdenken, das wohl nie mehr so viele Live-Zuschauer ins Stadion locken dürfte wie im Jahr 1950.
Torschützen:
0:1 Friaça (47.)
1:1 Juan Schiaffino (66.)
2:1 Alcides Ghiggia (79.)
Fehlt eines der großartigen WM-Spiele?
Zugegeben: Was ein großartiges und mitreißendes WM-Spiel ist, empfindet jeder für sich ein bisschen anders. Gerade Spiele im Public Viewing bleiben stärker im Kopf als alleine vor dem TV-Gerät zu Hause. Oder ein WM-Spiel, bei dem Ihr als Zuschauer durch die richtige Wettabgabe einen stattlichen Gewinn einfahren konntet und vielleicht sogar live im Stadion dabei wart.
Bei allen genannten Highlights gibt es mit Sicherheit weitere WM-Spiele, die aus der Historie des Fußballs nicht fortzudenken sind. Und jede teilnehmende Nation hat ihre eigenen Highlights, an die sie gerne zurückdenken. Vielleicht fallen auch Euch einige ganz besondere Spiele ein, die in unserer Aufzählung nicht genannt wurden?